Wind Of Change: Ehrenamtliche Organisationen und Angebote der jungen Generation zur Digitalbildung in Deutschland

Abstract

Neben traditionellen Bildungsinstitutionen spielen ehrenamtliche Organisationen insbesondere in der Digitalbildung eine wichtige Rolle. Dieser Beitrag zeigt auf, welche ehrenamtlich organisierten Angebote in Deutschland existieren, diskutiert die dahinterliegenden innovativen Konzepte und verdeutlicht, wie traditionelle Bildungseinrichtungen von diesem ehrenamtlichen Engagement lernen können. Dafür stellen die Autoren die Ergebnisse einer Befragung von 19 Organisationen und exemplarisch zwei Projekte in Fallstudien vor. Darauf aufbauend werden drei konkrete Handlungen für die Bildungspolitik vorgeschlagen.

Autoren

Sofie SchönbornVorstand, Europe’s Digital Future e.V. & wissenschaftliche Mitarbeiterin, Technische Universität München
Lukas JürgensmeierVorstand, TechAcademy e.V. & wissenschaftlicher Mitarbeiter, Goethe-Universität Frankfurt
Carolin Neumann
Co-Gründerin, BYTE Challenge & ehem. Sprecherin, Junge Gesellschaft für Informatik
Stefan HildebrandCo-Gründer BYTE Challenge & wissenschaftlicher Mitarbeiter, Technische Universität Berlin
Gabriel Häusler
Vorstand, Europe’s Digital Future e.V.
David Middelbeck
Co-Gründer & Vorstand TechLabs e.V. & Managing Director, edyoucated GmbH

 

In Deutschland verfolgen ehrenamtliche und gemeinnützige Organisationen das Ziel, Defiziten in der Digitalbildung und Digitalisierung in Deutschland entgegenzuwirken. Viele von ihnen werden maßgeblich von jungen Menschen getragen und vermitteln inhaltliche und methodische Kompetenzen durch erfolgsversprechende Bildungsansätze wie Blended-Learning (Means et al. 2010), Problem-Based-Learning (Dochy et al. 2003) und Peer-Learning (Tenenbaum et al. 2019). Dieser Beitrag diskutiert die Angebote und Herausforderungen dieser Organisationen und empfiehlt darauf aufbauend drei Handlungen für die Bildungspolitik für bessere Digitalbildung.

Warum Dieser Beitrag?

Befragung

Grundlage dieser Studie ist eine Befragung von N = 19 Organisationen, welche i) ehrenamtlich oder gemeinnützig sind, ii) Angebote im Bereich Digitalbildung und Digitalisierung vorweisen und ii) maßgeblich von jungen Personen geführt werden. Organisationen, welche diese Kriterien erfüllen, wurden im Frühjahr 2022 über eine systematische Websuche identifiziert und kontaktiert. 19 Organisationen haben die Befragung vollständig ausgefüllt.

Die Organisationen bieten Bildungsprogramme größtenteils fachbereichsübergreifend, kostenfrei und an junge Menschen gerichtet an. Konkreter reichen diese von Programmierkursen, Workshops, Seminaren, Vorträgen und Hackathons bis hin zu strukturierten Mentoring-Programmen, sowie Vernetzung in Communities und ehrenamtlichen Beratungsleistungen für soziale Organisationen. Breit gestreut sind die Angebote auch in ihrer Ausrichtung: Sie reichen von der lokalen, über die nationale und europaweite bis hin zur weltweiten Ebene.

Nahezu alle Programme sind hybrid und bieten Online- sowie Offline-Angebote an. Diese Bandbreite an neu gedachten Bildungskonzepten kommt durch die hohe Adaptivität, Agilität und das Miteinbeziehen der eigenen Erfahrungen zustande, mit der die Organisationen Inhalte testen und weiterentwickeln. Antreibende Kraft ist hierbei das intensive Engagement der rund 5.980 Ehrenamtlichen, welche sich in den befragten Organisationen engagieren und im Durchschnitt 14,4 Stunden je Monat ehrenamtlich tätig sind. Ehrenamtliche Mitarbeitende sind hauptsächlich Studierende und junge Berufstätige und haben sehr diverse fachliche Hintergründe.

Die am häufigsten genannte Herausforderung ist die Finanzierung (47 %), gefolgt von Mitgliedergewinnung (42 %) und Außenwahrnehmung (37 %). Knapp die Hälfte (42 %) der Organisationen geben an, Schwierigkeiten bei der Nachwuchssuche zu haben. Die häufigsten Herausforderungen bei dieser sind, dass Kandidat*innen das Ehrenamt als zu großen Arbeitsaufwand empfänden, die Kontaktherstellung schwierig (beide 37 %) und das Ehrenamt nicht attraktiv genug sei (32 %). Probleme in der Mitgliedergewinnung lassen sich demnach zumindest teilweise darauf zurückführen, dass junge Menschen sich das Ehrenamt neben Studium und Nebenjob zeitlich und finanziell leisten können müssen.

Relevante Finanzierungsquellen der Organisationen sind Sponsoring von Unternehmen und Spenden. Nur ein kleiner Anteil bei wenigen Organisationen finanziert sich über staatliche Förderung. Die am häufigsten genannten Probleme bei ihrer Finanzierung sind ein nicht ausreichender Zugang zu staatlichen Fördermöglichkeiten und keine ausreichenden Sponsoren (beide 39 %) sowie rechtliche Hürden (32 %). Hier zeigt sich unter den befragten Organisationen unter anderem ein Informationsdefizit, welche und wie öffentliche Förderungen in Anspruch genommen werden können.

Programmieren lernen durch Blended Learning mit Lern-Communities

TechLabs und TechAcademy bringen Teilnehmenden aller Fachbereiche mit einer Mischung aus Blended Learning (E-Learning-Kurse und selbstständige Projektarbeit) und Community (Peer-Mentoring und Peer-Learning) das Programmieren und damit die Grundlagen der Digitalisierung näher. Die Wissensvermittlung findet asynchron und digital statt, während die Anwendung, Vertiefung und Festigung der Programmierkenntnisse durch regelmäßige Arbeit an Gruppenprojekten unter fachlicher Betreuung von Mentoren erfolgt (Problem-Based-Learning). Dadurch legen die ehrenamtlichen Organisationen die Grundlage für ein fundiertes Digitalverständnis von Studierenden aller Fächer — besonders jenen abseits der Informatik.

BYTE Challenge — digitale Plattform für MINT-Breitenförderung

 

Das ehrenamtliche BYTE-Team der Gesellschaft für Informatik e.V. entwickelt, unterstützt von Kooperationspartnern, interaktive und digitale Kurse zu den Themen Digital Skills, Grundlagen der Informatik, Berufsorientierung und Technik. Aktuell werden rund 100 Kurse je 15 Minuten Dauer angeboten welche jeweils aus kleineren Micro-Learning-Einheiten je 2 – 3 Minuten aufgebaut sind. Die Sicherung des Lernerfolgs erfolgt überwiegend im Quiz-Format und bei den Programmier-Kursen sind eigene Projekte einzureichen. Die Auswahl aus dem reichhaltigen Kursprogramm können dabei entweder die Lehrer*innen oder die Teilnehmenden selbst treffen. Konzeptionell sind für die Einstiegskurse kaum Vorkenntnisse erforderlich.

Dieser Artikel zeigt, wie ehrenamtliche und gemeinnützige Organisationen zur Digitalbildung in Deutschland beitragen und vor welchen Herausforderungen sie stehen. Darauf aufbauend empfehlen wir drei Handlungen, welche politische und zivilgesellschaftliche Akteure in der Bildungspolitik umsetzen können. Die Autoren empfehlen (1) innovative Digitalbildungskonzepte der vorgestellten Organisationen stärker in traditionellen Bildungseinrichtungen wie Schulen und Hochschulen zu verankern, (2) grundlegende digitale Kompetenzen in Curricula aller Schulformen und Studienrichtungen zu verankern und (3) junge engagierte Menschen stärker als Digitalbildungs-Expert*innen einzubeziehen.

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"MINT Unterrichten ist wie Entwicklungshilfe im eigenen Land betreiben, fehlende Ausstattung, fehlendes Wissen und natürlich fehlende Ressourcen."

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